Notfall? – Erste Hilfe

Erste seelische Reaktionen – Orientierungshilfe für Betroffene

Viele Betroffene beschreiben den Zustand unmittelbar nach einem sexualisierten Übergriff (wie zum Beispiel einer Vergewaltigung oder sexueller Belästigung) wie eine Art Filmriss, sie haben kaum Orientierung und verspüren eine starke Ohnmacht und Hilflosigkeit. Dies ist oft begleitet von Symptomen wie Angstzuständen, Alpträumen, Flashbacks und auch körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Zittern etc. Betroffene leiden in der Regel unter massiven Schuld- und Schamgefühlen und viele haben das Gefühl „durchzudrehen“ oder verrückt zu werden.

Aus der Arbeit mit Betroffenen und insbesondere der Traumaforschung ist bekannt, dass Opfer sexueller Gewalt zu Beginn oftmals eine Reihe von emotionalen Reaktionen auf die Gewalterfahrung erleben. Das können etwa sein:

  • Schockzustand, Erstarrung
  • Erschöpfung
  • Hilflosigkeit
  • Gelassene, stille Reaktion, unbewegt, „als ob nichts gewesen wäre“
  • Heftige Stimmungsschwankungen
  • Angst, Nervosität, Schreckhaftigkeit
  • Wut und Feindseligkeit auf den Täter, aber auch auf andere, vertraute Menschen
  • Schlafstörungen, Albträume
  • Leugnen des Übergriffs
  • Selbstbeschuldigung, Selbstvorwürfe, Verwirrung
  • „Irrationale“ Ängste
  • Gefühle der Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit
  • starke Gefühle der Verletzung und Beschmutzung
  • Sich „ins Leben stürzen“, dauernd unterwegs sein
  • Erinnerungslücken, Konzentrationsprobleme
  • quälende Erinnerungen oder Bilder, die sich aufdrängen
  • Appetitlosigkeit, starke Müdigkeit
  • verstärktes Bedürfnis nach Alkohol oder Beruhigungsmitteln

Hier ist wichtig zu wissen, dass diese Gefühle und Symptome normale Reaktion auf ein außergewöhnlich belastendes Lebensereignis sind. Dieses Wissen hilft den eigenen Ausnahmezustand besser zu verstehen und einzuordnen.

Vertrauensperson

Gerade in der ersten Zeit nach einem sexualisierten Übergriff ist es besonders wichtig sich mit Menschen zu umgeben, bei denen man sich gut aufgehoben fühlt. Ein erster Schritt kann sein eine Freundin, einen Freund oder eine Person des Vertrauens anzurufen. In dieser Situation ist es wichtig, nicht alleine zu bleiben und einen Menschen um sich zu haben, der Sicherheit, Halt und Orientierung gibt.

Ärztliche Untersuchung – Spurensicherung

Nach einer Vergewaltigung ist es besonders wichtig, sich auch ärztlich untersuchen zu lassen. Auch hier kann die Begleitung durch eine Vertrauensperson äußerst hilfreich sein.

Eine medizinische Versorgung ist dringend anzuraten, und sollte möglichst zeitnah erfolgen,

  • um mögliche Verletzungen versorgen zu lassen.
  • um sich in Bezug auf Geschlechtskrankheiten untersuchen zu lassen
  • um Spuren sichern zu lassen. Zum Einem macht eine Dokumentation der Spuren, bzw. auch der Verletzungen Ihre Angaben zum Geschehen überprüfbar. Eine medizinische Befundsicherung kann für ein Strafverfahren von großer Bedeutung sein, auch wenn es im Moment wahrscheinlich sehr schwerfällt und es vielleicht nicht wichtig erscheint.
  • Um eine Schwangerschaft auszuschließen oder sich eventuell „die Pille danach“ verschreiben zu lassen.

Wenn es Ihnen möglich ist, wechseln Sie nicht die Kleidung und gehen Sie vor der Untersuchung auch nicht Duschen, da das wichtige Spuren zerstören könnte.

Eine medizinische Untersuchung muss nicht automatisch mit einer Anzeige verbunden sein. Wenn Sie (noch) keine Anzeige machen möchten, sprechen Sie die behandelnde Ärztin vor der Untersuchung darauf an.

Ruhe und Sicherheit

Unmittelbar nach einem sexualisierten Übergriff ist es wichtig, ausreichend Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten zu haben. Aber auch hier ist der Kontakt zu vertrauten Menschen wesentlich, da die Gefahr besteht, sich von der Außenwelt sehr zu isolieren und in einem inneren Rückzug zu verharren. Für Betroffene steht jetzt vor allem der Wunsch nach einem inneren Sicherheitsgefühl im Vordergrund, und natürlich bei bestehender Notwendigkeit auch der konkrete Schutz vor dem Täter. Unterstützend für die schrittweise Wiedererlangung von Stabilität kann beispielsweise ein klar strukturierter Tagesablauf sein mit Tätigkeiten und Ritualen, die gut tun, körperlicher Betätigung, das Aufsuchen von positiv besetzten Orten oder einfach auch eine kurzzeitige örtliche Distanz von dem Geschehen sein. In dieser Situation kann auch professionelle Hilfe von außen überaus wichtig und hilfreich sein. Sie können sich beispielsweise an uns oder andere Unterstütungsangebote wenden.

Professionelle Hilfe holen

Viele betroffene Mädchen* und Frauen* entwickeln in Folge der Gewalterfahrung Symptome wie beispielsweise Flashbacks, Schlaflosigkeit, Alpträume, eine erhöhte Reizbarkeit, übersteigerte Wachsamkeit, Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten und körperliche Symptome wie Herzrasen und Atemnot, um nur einige davon zu nennen. Hierbei ist es für Betroffene besonders wichtig zu wissen, dass diese Symptome keine Anzeichen dafür sind „verrückt“ zu werden, sondern eine normale Reaktion auf ein außergewöhnlich belastendes Lebensereignis. Wenn diese Symptome allerdings länger als 3 Monate andauern kann es sein, dass diese dauerhaft bleiben. Auch wenn Freund:innen, der Partner:innen oder Vertrauenspersonen für Betroffene sehr wichtig sind – sie können keine professionelle Unterstützung ersetzen. Bei einer dauerhaften Belastungssituation besteht die Gefahr, dass das soziale Umfeld mit Überforderung reagiert. Spätestens dann wäre es für Betroffene (und deren Angehörige) wichtig, professionelle Hilfe von außen, beispielsweise durch eine spezialisierte Beratungsstelle, einzuholen. Unsere Beratungen sind kostenlos, verschwiegen und auf Wunsch anonym. Das Erstgespräch kann auch im Beisein einer oder eines Angehörigen oder einer Vertrauensperson geführt werden.

Bitte zögern Sie nicht, sich an uns zu wenden – es muss nicht erst unerträglich sein, bevor Sie zu uns kommen!

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