Beratung zum Sexualstrafrecht
Eine Anzeige hinsichtlich eines Gewaltdelikts löst eine Reihe an polizeilichen und gerichtlichen Mechanismen aus. Als sogenanntes Offizialdelikt kann diese auch nicht mehr zurückgezogen werden. Wir unterstützen Sie auch dann, wenn Sie sich hinsichtlich einer Anzeige noch nicht entschieden haben. In Zusammenarbeit mit niedergelassenen AnwältInnen bieten wir Ihnen auch fundierte juristische Beratung zur Frage, inwieweit das, was Sie erlebt haben noch strafbar oder bereits verjährt ist, sowie was im Falle einer Anzeige die weiteren Schritte sind, die auf Sie zukommen.
Informationen zu Sexualstraftaten, Strafverfahren und Opferrechten
- Überblick über die wesentlichen Straftatbestände zu sexueller Gewalt nach dem österreichischen Strafrecht,
- Allgemeines zur Strafbarkeit und Verjährung von Sexualstraftaten,
- Informationen zum Ablauf von Strafverfahren, zu allgemeinen und besonderen Opferrechten wie etwa das Recht auf Prozessbegleitung.
Wichtige Straftatbestände des Sexualstrafrechts
Straftaten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung
Vergewaltigung, § 201 StGB
Eine Vergewaltigung nach dem österreichischen Strafgesetzbuch liegt dann vor, wenn eine Person durch Gewalt, Freiheitsentziehung oder durch Drohung mit „gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ zum Geschlechtsverkehr (Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung) gezwungen wird (§ 201 Abs.1 StGB). Typische Tatmittel sind der Einsatz unmittelbarer körperlicher Gewalt (Schläge u.a.), Festhalten oder Einsperren, Drohung durch Einsatz von Waffen (Messer u.a.), aber auch die Betäubung des Opfers.
Wichtig: Auch der Versuch einer Vergewaltigung (z. B. wenn das Opfer fliehen kann) ist strafbar!
Geschlechtliche Nötigung, § 202 StGB
Wie bei der Vergewaltigung wird das Opfer auch bei der geschlechtlichen Nötigung gegen seinen Willen (durch Gewalt und gefährliche Drohung) zu sexuellen Handlungen gezwungen. Dabei ist die Drohung bei der geschlechtlichen Nötigung wesentlich weiter gefasst als bei der Vergewaltigung. Sie umfasst beispielsweise auch die Ehre und den höchstpersönlichen Lebensbereich (z.B. Androhen der Veröffentlichung von Nacktaufnahmen). Der wesentliche Unterschied ist aber die Nötigung zu einer „geschlechtlichen Handlung“: Eine geschlechtliche Handlung ist eine intensive, d.h. nicht bloß flüchtige Berührung von Körperstellen, die unmittelbar der Geschlechtssphäre angehören: Dazu zählen die Vagina, der Penis und die Hoden, sowie die entwickelte weibliche Brust und der Schambereich. Zu einer sexuellen Handlung wie bei der Vergewaltigung muss es dabei nicht kommen.
Sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person, § 205 StGB
Als Tatopfer des § 205 StGB gelten Personen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage sind, sich zu wehren oder zu diesem Zeitpunkt sexuell nicht selbstbestimmungsfähig sind.
Beispiele: Missbrauch eines Opfers unter dem Einfluss von Alkohol oder Suchtmitteln; (schwer) psychisch beeinträchtigte Opfer. Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist, dass die Wehrlosigkeit bzw. der besonders schutzbedürftige Zustand des Opfers vom Täter bewusst ausgenützt werden. Das Geschlecht und das Alter spielen hier grundsätzlich keine Rolle, allerdings ist der sexuelle Missbrauch von minderjährigen Personen speziell nach den Bestimmungen der §§ 206, 207 StGB (sexueller Missbrauch von Unmündigen) strafbar.
Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, § 205a StGB
Das mit Strafrechtsänderungsgesetz 2015 eingeführte Delikt regelt, dass auch ein Sexualkontakt, der unfreiwillig – jedoch ohne Gewalt oder Drohung – erfolgt, gerichtlich strafbar ist („ein NEIN muss genügen“!). Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist, dass der Sexualkontakt (Beischlaf oder gleichzusetzende geschlechtliche Handlung) gegen den Willen des Opfers erfolgt. Dabei sind Fälle denkbar, in denen das Opfer seinen Willen ausdrücklich erklärt oder konkludent die Ablehnung zum Ausdruck bringt (z.B. durch Weinen oder „Freezing“). Unter bestimmten Umständen kann ein unfreiwilliger Sexualkontakt aber auch dann, wenn die Ablehnung nicht (klar) zum Ausdruck kommt, strafbar sein. Als solche „Umstände“ nennt das Gesetz die Ausnützung einer Zwangslage des Opfers (z.B. schwere wirtschaftliche Notlage, Obdachlosigkeit oder Suchtkrankheit) und eine vorangegangene Einschüchterung des Opfers, wodurch das Opfer nicht mehr frei entscheiden kann.
Sexuelle Belästigung, § 218 StGB
Darüber hinaus kann eine unfreiwillige sexuelle Handlung als sexuelle Belästigung strafbar sein, und zwar unabhängig vom Alter und einem beruflichen Kontext. Anders als im Arbeitsbereich (§ 6 GlBG) ist eine sexuelle Belästigung nach dem Strafrecht sehr streng gefasst und umfasst eine „geschlechtliche Handlung“, d.h. dass nur intensive Berührungen eines primären oder sekundären Geschlechtsorgans/Geschlechtsmerkmals strafbar sind. Diese Berührungen müssen vom Opfer unerwünscht sein und geeignet sein, Ärgernis auszulösen (z.B. „Begrapschen“).
Zusätzlich sind seit 2016 auch sexuelle Belästigungen strafbar, die zwar keine geschlechtlichen Handlungen darstellen, aber doch die „Würde verletzen“. Darunter fallen intensive Berührungen an Körperstellen, die zwar nicht unmittelbar der Geschlechtssphäre angehören, dieser aber zugeordnet werden, wie z.B. das Gesäß und die Oberschenkel.
Weitere Sexualdelikte:
- (Schwerer) sexueller Missbrauch von Unmündigen, §§ 206, 207 StGB
- Pornografische Darstellungen Minderjähriger, § 207a StGB
- Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, § 207b StGB
- Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen, § 208a
- Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, § 212 StGB
- Entgeltliche Vermittlung von Sexualkontakten mit Minderjährigen, § 214 StGB
- Prostitutionsdelikte, §§ 215, 216, 217 StGB
Wichtige Gemeinsamkeit aller Straftatbestände des Sexualstrafrechts ist: eine Gegenwehr des Opfers ist für die Erfüllung des Straftatbestandes nicht notwendig. Auch der Versuch einer Sexualstraftat ist strafbar.
Allgemeines zur Strafbarkeit und Verjährung von Straftaten
Häufig braucht es Jahre, bis Opfer sexueller Übergriffe darüber sprechen können, was ihnen passiert ist. Wenn sich in dieser Zeit (zwischen der Tat und einen möglichen späteren Strafprozess) die Rechtslage geändert hat, muss geprüft werden, nach welcher Rechtslage die Strafbarkeit der Tat zu entscheiden ist und ob zwischenzeitig eine Verjährung der Strafbarkeit eingetreten ist (§§ 57 und 58 StGB).
Die Verjährungsfrist hängt grundsätzlich von der Straftat und der damit verbundenen Strafandrohung ab. Besonders entscheidend ist zudem das Alter des Opfers zum Zeitpunkt der Tatbegehung. Seit Juli 2009 gilt, dass bei Sexualstraftaten an Minderjährigen der Beginn der Verjährungsfrist bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Opfers verschoben wird. Somit beginnt in diesen Fällen die Verjährungsfrist erst mit dem 28. Geburtstag des Opfers zu laufen. Für frühere Taten, die vor Juli 2009 an minderjährigen Opfern begangen wurden gelten je nach Zeitpunkt und Delikt unterschiedliche Verjährungsregeln, die im Einzelfall zu klären sind.
Ablauf von Strafverfahren und prozessuale Opferrechte
Ablauf eines Strafverfahrens
Ein Strafverfahren beginnt in aller Regel mit einer Anzeige bei der Polizei, wodurch das „Ermittlungsverfahren“ zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat eingeleitet wird. Die Aufgabe der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ist die Sammlung von Informationen und Sicherstellung von Beweisen, dazu gehören auch die Einvernahme des Opfers, der Zeugen und des/der Beschuldigten. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erstellt die Polizei einen Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft. Diese entscheidet sodann, ob es zur Anklage oder zur Beendigung des Verfahrens (Einstellung des Verfahrens, Diversion) kommt. Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass die Ermittlungsergebnisse für eine Verurteilung ausreichen, erhebt sie Anklage bzw. bringt einen Strafantrag ein. Ist dagegen aufgrund der Ermittlungsergebnisse eine Verurteilung eher unwahrscheinlich, wird das Strafverfahren eingestellt. Dies ist z.B. auch dann der Fall, wenn die Straftat zwischenzeitig verjährt ist. Opfer haben die Möglichkeit, gegen diese Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft einen „Fortführungsantrag“ einzubringen (§ 195 StPO).
Wichtig: Eine Verfahrenseinstellung ist KEIN Freispruch! Eine Einstellung bedeutet auch nicht, dass dem Opfer nicht geglaubt wurde, sondern dass z.B. aufgrund von Verjährung oder anderer Umstände die Tat nicht (mehr) strafbar ist oder zu wenig Beweise für eine Verurteilung vorliegen!
Wurde Anklage erhoben, folgt das „Hauptverfahren“: Wesentlicher Teil des Hauptverfahrens ist die Hauptverhandlung, in der die Beschuldigten das Recht haben, Fragen an das Opfer und andere Belastungszeugen zu stellen (zur Aussagebefreiung von Opfern, die in ihrer Geschlechtssphäre verletzt sein könnten, siehe „Besonderheiten im Sexualstrafverfahren“. Die Hauptverhandlung endet mit Urteil und Urteilsverkündung. Es kann sich dabei um einen Freispruch oder um ein Schuldurteil handeln, mit dem der Täter zu einer Haftstrafe (bedingt, unbedingt bzw. teilweise bedingt, unbedingt) und/oder zu einer Geldstrafe verurteilt wird. Gegen dieses Urteil kann die Staatsanwaltschaft oder die Verteidigung des/der Beschuldigten ein Rechtsmittel erheben. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch das Opfer gegen das Urteil vorgehen: So kann das Opfer, wenn es sich als Privatbeteiligte dem Verfahren angeschlossen hat, aber mit seinen Schadenersatzansprüchen (z.B. Schmerzensgeld) auf den Zivilgerichtsweg verwiesen wurde, Berufung gegen diese Verweisung einlegen oder im Fall eines Freispruchs eine Nichtigkeitsbeschwerde erheben.
Besonderheiten in Sexualstrafverfahren
Opfer von sexueller Gewalt haben aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit ein Aussagebefreiungsrecht (§ 156 Abs. 1 Z 2 StPO) und müssen an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen. Voraussetzung dafür ist, dass sie bereits im Vorfeld, d.h. vor der Hauptverhandlung bzw. im Ermittlungsverfahren, im Rahmen einer „kontradiktorischen Einvernahme“ vernommen worden sind (§ 165 StPO).
Was ist eine kontradiktorische bzw. schonende Einvernahme und wie läuft diese ab?
Die kontradiktorische Vernehmung (KDV) oder auch schonende Einvernahme (§ 165 Abs. 3 StPO) ist eine gerichtliche Vernehmung des Opfers im Vorfeld der Hauptverhandlung bei der die Opferzeugin durch räumliche Trennung vor der direkten Konfrontation mit dem/der Beschuldigten abgeschirmt wird. Die übrigen Parteien, das sind Staatsanwaltschaft und Beschuldigte*r samt Verteidiger*in, haben die Möglichkeit die Vernehmung in Echtzeit über Video und Audioübertragung zu verfolgen und auch Fragen an das Opfer zu stellen. Die Aussagen des Opfers werden aufgezeichnet und können in der Hauptverhandlung vorgelesen bzw. vorgeführt werden, von einer (weiteren) Aussage direkt vor Gericht ist das Opfer jedoch befreit.
Aus Gründen des besonderen Opferschutzes kann die kontradiktorische Einvernahme der Betroffenen von sexueller Gewalt mittels „Videovernehmung“ so erfolgen, dass dem Opfer die Begegnung mit dem/der Beschuldigten erspart bleibt. „Schonend“ vernommen zu werden, bedeutet also, dass das Opfer sich in einem eigenen Raum aufhält, während sich der/die Beschuldigte samt Verteidigung, die Vertretung der Staatsanwaltschaft und die juristische Prozessbegleitung im Verhandlungssaal befinden. Die Räume sind mittels Video- und Tonanlage verbunden.
Nimmt das Opfer Prozessbegleitung in Anspruch (Näheres siehe Prozessbegleitung), wird es durch die psychosoziale Prozessbegleiterin zur KDV begleitet und sitzt diese auch Vernehmungszimmer.
Die Befragung des Opfers erfolgt im Regelfall durch eine*n Richter*in, möglicherweise aber durch eine*n Sachverständige*n, und zwar direkt im Vernehmungszimmer. Die anschließenden Fragen der anderen Verfahrensbeteiligten erfolgen nicht direkt an das Opfer, sondern mittels Weiterleitung (z.B. über Kopfhörer) an den/die vernehmende Richter*in bzw. Sachverständige*n.
Die Einvernahme von unmündigen Opfern sexueller Gewalt hat zwingend in schonender Form zu erfolgen, alle anderen besonders schutzbedürftigen Opfer sind auf Antrag oder von Amts wegen auf schonende Weise zu vernehmen (§ 165 Abs. 4 StPO).
Allgemeine Opferrechte
Zu den Rechten eines Opfers in einem Strafverfahren gehören insbesondere folgende Rechte (§ 66 StPO):
- Vertretungsrecht, darunter versteht man das Recht des Opfers, sich im Verfahren anwaltlich vertreten zu lassen.
- Recht auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung
- Akteneinsicht: Das ist die Einsicht in den Strafakt, und zwar sind Opfer zur Akteneinsicht berechtigt, soweit ihre Interessen betroffen sind. Eine Akteneinsicht darf nur verweigert oder beschränkt werden, soweit durch eine unbeschränkte Akteneinsicht der Zweck der Ermittlungen oder eine unbeeinflusste Zeugenaussage des Opfers gefährdet wäre. Dem Opfer steht daher auch eine Kopie des Vernehmungsprotokolls zu. Akteneinsicht kann bei der Staatsanwaltschaft, bis zur Beendigung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen aber auch bei der Kriminalpolizei genommen werden.
- Übersetzungshilfe durch Dolmetschleistungen: Dies umfasst mündliche Dolmetschleistungen (während der Einvernahme als Zeugin im Ermittlungsverfahren, einer KDV und der Hauptverhandlung); zusätzlich kann das Opfer auch verlangen, dass wesentliche – zur Wahrung der Rechte und Interessen des Opfers erforderliche Aktenstücke übersetzt werden (z.B. Anzeigebestätigung, Einstellungsbegründung oder Urteilsausfertigung).
- Informations- und Verständigungsrechte: Ab Beginn eines Ermittlungsverfahrens gegen eine/n bestimmte/n Beschuldigte/n muss die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft das Opfer über ihre/ seine wesentlichen Rechte im Verfahren informieren. Das heißt, dass die Polizei bereits bei der Anzeige über die Opferrechte informieren muss. Dazu gehört auch der Hinweis auf das Recht auf Prozessbegleitung und auf weitere Rechte, wie etwa das Recht auf Begleitung durch eine Vertrauensperson, auf Pausen während der Einvernahme, auf Durchsicht (Ergänzungen/ Korrekturen) des Anzeigeprotokolls und auf eine schriftliche Bestätigung der Anzeige. Zusätzlich dazu hat das Opfer das Recht, im Hinblick auf den Fortgang des Verfahrens verständigt zu werden. Dazu gehört auch das Recht, über die Entlassung des/ der Beschuldigten aus der Untersuchungshaft verständigt zu werden.
- Recht auf Beantragung der Fortführung eines eingestellten Ermittlungsverfahrens („Fortführungsantrag“, §§ 195, 196 StPO):
Zu den Verständigungsrechten des Opfers gehört auch das Recht, schriftlich verständigt zu werden, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Das Opfer hat in diesem Fall das Recht, binnen einer Frist von 14 Tagen nach Verständigung eine Einstellungsbegründung zu verlangen. Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens ist sodann binnen 14 Tagen nach Erhalt der Einstellungsbegründung oder – wenn keine Begründung verlangt wurde – der Verständigung über die Einstellung einzubringen. Wurde das Opfer nicht über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens verständigt gilt für den Fortführungsantrag eine (nicht verlängerbare) Frist von 3 Monaten. Voraussetzungen bzw. Gründe einer Fortführung sind unter anderem, dass neue Tatsachen oder Beweismittel vorgelegt werden können, die eine Anklage möglich erscheinen lassen. Wird ein Fortführungsantrag zurück- oder abgewiesen, fallen dafür Kosten an (Pauschalgebühr € 90,–). Allerdings werden diese Kosten im Rahmen einer Prozessbegleitung idR vom Bundesministerium für Justiz übernommen. - Recht auf Teilnahme, Anwesenheits- und Fragerechte: Das Opfer hat das Recht, selbst oder vertreten durch einen Rechtsbeistand an einer kontradiktorischen Vernehmung anderer Zeugen und des Beschuldigten sowie auch an einer Tatrekonstruktion teilzunehmen; ein weiteres Opferrecht ist das Recht, in der Hauptverhandlung anwesend zu sein und Fragen zu stellen bzw. angehört zu werden (rechtliches Gehör“). In der Regel wird das Opfer in der Hauptverhandlung durch seinen Rechtsbeistand vertreten, da bei persönlicher Anwesenheit eine erneute, allerdings nicht schonende, Vernehmung möglich ist.
- Anschluss als Privatbeteiligte: Opfer können sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren anschließen und als solche (Pauschal-) Schadenersatz oder Schmerzensgeld begehren. Der Anschluss ist bereits im Ermittlungsverfahren möglich, kann aber noch bis zum Schluss des Beweisverfahrens erklärt werden. Durch den Privatbeteiligtenanschluss hat das Opfer z.B. auch ein Beweisantragsrecht und wegen der privatrechtlichen Ansprüche auch ein Berufungsrecht gegen das Urteil.
Rechte aufgrund besonderer Schutzbedürftigkeit
Opfer, die aufgrund ihres Alters, ihres seelischen und gesundheitlichen Zustands sowie der Art und konkreten Umstände der Straftat als besonders schutzbedürftig anzusehen sind, haben besondere Opferrechte. Diese Schutzbedürftigkeit müssen die Behörden von Amts wegen so rasch als möglich wahrnehmen und beurteilen (§66a StPO). Opfer von Sexualstraftaten gelten jedenfalls als besonders schutzbedürftig!
Besonders schutzbedürftige Opfer haben gemäß § 66a StPO zusätzlich unter anderem folgende Rechte, über die sie bereits bei der Anzeige zu informieren sind:
- Vernehmung durch eine Person desselben Geschlechts: Dieses Recht gilt im Ermittlungsverfahren, und zwar „auf Verlangen und nach Möglichkeit“. In der Praxis ist es daher wichtig, schon bei der Anzeige zu verlangen, durch eine weibliche Polizeibeamte einvernommen zu werden.
- Beiziehung einer Vertrauensperson zur Vernehmung (wichtig bei der Anzeige!)
- Verweigerung der Beantwortung von Fragen zum Schutz der Geschlechts- und Privatsphäre: So können Opfer Antworten auf Fragen nach Einzelheiten der Straftat, deren Beantwortung sie für unzumutbar halten, oder nach Umständen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verweigern.
- Schonende Vernehmung: Besonders schutzbedürftige Opfer haben das Recht, zu verlangen, sowohl im Ermittlungs- als auch in der Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden. Weitere Informationen dazu sowie zum Aussagebefreiungsrecht siehe den Abschnitt: Besonderheiten des Sexualstrafverfahrens.
- Recht auf Ausschluss der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung.
Für weitere Informationen zu Opfern und Opferrechten siehe auch die entsprechende Seite des Bundesministeriums für Justiz.
Prozessbegleitung (§ 65 Z. 1 lit. a Strafprozessordnung – StPO)
Opfer von Sexualstraftaten als „besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a StPO)“ haben das Recht auf Prozessbegleitung. Diese wird durch dafür qualifizierte Opferschutzeinrichtungen im Auftrag des Justizministeriums durchgeführt. Für Frauen als Opfer von sexueller Gewalt sind das insbesondere die österreichischen Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt.
Aufgabe der Prozessbegleitung ist es, den von Gewalt betroffenen Menschen mit Beratung und Begleitung zur Seite zu stehen: Prozessbegleitung ermöglicht Unterstützung vor, während und nach dem Verfahren. Sie umfasst die Beratung und Information über Opferrechte und den Strafverfahrensablauf (siehe oben).
Ziel der psychosozialen Prozessbegleitung ist es, Betroffene von sexueller Gewalt bei der Bewältigung der mit dem Verfahren verbundenen emotionalen Belastungen zu unterstützen. Durch die Beratung und Information über die genauen Abläufe des Verfahrens von der Anzeige bis zum Ende des Prozesses sowie durch die persönliche Begleitung zur Polizei (Anzeige, Vernehmung) und zu den Gerichtsterminen soll den Betroffenen ein Stück mehr an Sicherheit gegeben werden.
Die juristische Prozessbegleitung unterstützt bei der Durchsetzung der Opferrechte. Sie erfolgt durch eine besonders qualifizierte Rechtsanwältin [1] und umfasst die Beratung und Vertretung während des gesamten Verfahrens bis zur eventuellen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.
Hat das Opfer im Strafverfahren Prozessbegleitung in Anspruch genommen, besteht auch für die Durchsetzung von (weitergehenden) Schmerzensgeld- und Schadenersatzforderungen im Zivilprozess ein Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung (§ 73b ZPO), jedoch nicht auf juristische Prozessbegleitung.
Hinweis:
Um die Belastungen eines strafrechtlichen Verfahrens so gering wie möglich zu halten, empfehlen wir Ihnen, die Möglichkeit einer Prozessbegleitung jedenfalls in Anspruch zu nehmen!
Die Kosten für Prozessbegleitung trägt das Bundesministerium Justiz. Für die Opfer fallen keine Kosten an.